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Die Beschäftigung mit dem Werk Eric Voegelins entwickelte sich in Deutschland nur
langsam. Derzeit gehören zu den Zentren der deutschen Voegelin-Forschung
die Eric-Voegelin-Bibliothek an der Friedrich Alexander-Universität
Erlangen, die Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Erfurt sowie
das im Herbst 1990 mit Unterstützung des Bayerischen Kultusministeriums,
der Ludwig-Maximilians-Universität und der Fritz-Thyssen-Stiftung am
Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft gegründete
Eric-Voegelin-Archiv München.
Die
Münchner Universität weist
insofern eine besondere Nähe zu Eric Voegelin und seinem Werk auf, als
dieser hier ein Jahrzehnt lang lehrte und das in dieser Zeit von ihm
aufgebaute Institut für Politische Wissenschaft noch heute in vielen
Bereichen durch seinen Gründer geprägt ist. Im Jahre 1982 wurde der
Lehrstuhl Voegelins in eine seinen Namen tragende internationale
Gastprofessur an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät umgewandelt, auf die
seitdem zahlreiche Gelehrte von internationalem Rang berufen wurden, u.a.
Hans Jonas, Geoffrey Barraclough, George McGovern, Wjatscheslaw
Daschitschew, Juan Linz und Hermann Lübbe.
Um die Kontakte
zur internationalen Voegelin-Forschung auszuweiten und zu vertiefen, erfährt
die Gesellschaft Unterstützung durch einen Kreis korrespondierender
Mitglieder.
Ihm gehören derzeit an:
Paul
Caringella
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Palo
Alto, CA, USA
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Sandro
Chignola
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Università
degli Studi di Verona, Italien
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Barry
Cooper
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University
of Calgary, Canada
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Guiseppe
Duso
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Università
di Padova, Italien
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Thomas
Heilke
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University
of Kansas, USA
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Manfred
Henningsen
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University
of Hawai, USA
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Mendo
C. Henriques
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Universidade Catolica Portuguesa, Lissabon, Portugal
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Thomas
Hollweck
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University of Colorado at Boulder, USA
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Dietmar
Herz
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Universität
Erfurt, Deutschland
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Henning
Ottmann
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Universität
München, Deutschland
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Julian
Nida-Rümelin
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Universität
München, Deutschland
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+Geoffrey L. Price
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University
of Manchester, UK
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Roberto
Racinaro
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Università
degli Studi di Salerno, Italien
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Ellis
Sandoz
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Louisiana
State University, USA
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Peter
von Sivers
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University
of Utah, USA
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Tashio
Terajima
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Osaka,
Japan
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Gilbert
Weiss
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Universität
Salzburg, Österreich
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Gianfranceso
Zanetti
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Università
degli Studi di Bologna, Italien
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Das
Eric-Voegelin-Archiv versteht es als eine seiner zentralen Aufgaben, eine
vertiefte wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Werk Voegelins zu
ermöglichen.
Der Aufbau einer Eric-Voegelin-Bibliothek ist weit fortgeschritten; die
Bestände des Archivs umfassen
- den Nachlass Eric
Voegelins, der in den Archiven der Hoover Institution lagert, auf 101
Mikrofilmen (biographische Dokumente, Korrespondenzen, Reden,
Entwürfe, Essays, Rezensionen, Lehrmaterialien, Dissertationen,
Zeitungsartikel etc.);
- die selbständigen
Veröffentlichungen Voegelins bzw. deren deutsche Übersetzungen;
ca. 60 Aufsätze, Abhandlungen und Rezensionen, die Voegelin zwischen
1922 und 1985 verfasste;
- abgeschriebene oder auf
Tonband aufgezeichnete Vorlesungen aus seiner Münchner Lehrtätigkeit
sowie die Manuskripte von Vorträgen, die er zu verschiedenen Anlässen
hielt;
unveröffentlichte Manuskripte und Entwürfe;
- englische, französische,
italienische, portugiesische, polnische und japanische Übersetzungen
der Werke Voegelins
- die wichtigsten
international erschienenen Monographien und Sammelbände über das Werk
und die Themen Voegelins;
- mehrere Hundert Aufsätze
aus deutschen und ausländischen Zeitschriften und Sammelbänden, vor
allem aus den USA, Italien und der Bundesrepublik;
- eine umfassende Sammlung
von Rezensionen zu den Veröffentlichungen Voegelins.
Im Mittelpunkt der Arbeit des Archivs steht die Veröffentlichung
der Schriften Voegelins in Deutschland sowie die Betreuung von Übersetzungen
des englischsprachigen Teils seines Werkes. Dies geschieht im Rahmen von
drei Schriftenreihen, von denen zwei im Fink Verlag München erscheinen,
während die dritte vom Archiv selbst verlegt wird.
Die erste und zugleich älteste dieser Reihen – Periagoge:
Voegelin-Texte – weist mehrere Schwerpunkte auf. Den einen bilden
Neuauflagen wichtiger, jedoch seit Jahren vergriffener Schriften Voegelins.
Neben den Politischen Religionen (1938/1992) und Wissenschaft, Politik und
Gnosis (1959/1999) gehört dazu eine Neuauflage der Neuen Wissenschaft der
Politik (1959/2004). – Einen zweiten Schwerpunkt bilden posthum
herausgegebene Schriften Voegelins. Dazu gehören Übersetzungen zentraler
Teile der mehrere tausend Seiten umfassenden History of Political Ideas,
deren englische Originalfassung zwischen 1997 und 1999 in den USA
veröffentlicht wurde. Herzstück der Reihe Periagoge ist die deutschsprachige
Übersetzung von Voegelins Order and History. Diese auf zehn Bände
angelegte, von Peter J. Opitz und Dietmar Herz herausgegebene Edition
begann im Winter 2001 und wird im Frühjahr 2005 abgeschlossen. Als
Einzelherausgeber konnten international ausgewiesene Kenner des
Voegelinschen Werkes gewonnen werden – u.a. Jan Assmann, Jörg
Jeremias, Friedhelm Hartenstein, Jürgen Gebhardt, Thomas Hollweck, Manfred
Henningsen, Paul Caringella und Gilbert Weiss.
Im Jahre 2000 lief unter dem Namen
Periagoge: Voegelin-Studien eine Schriftenreihe mit wichtigen Arbeiten
über Voegelin an. Sie wurde eröffnet mit einer Arbeit von Gilbert Weiss zum
Thema Theorie, Relevanz und Wahrheit. Eine Rekonstruktion des Briefwechsels
zwischen Eric Voegelin und Alfred Schütz (1938-59). Seitdem folgten die
internationale Standard-Bibliographie von Geoffrey Price, langjähriger
Direktor des Centre for Voegelin Studies an der University of Manchester,
eine Studie über die Gründung der Politischen Wissenschaft in München von
Thiess Marsen Christian Schwaabes Arbeit Freiheit und Vernunft in der
unversöhnten Moderne. Max Webers kritischer Dezisionismus als Herausforderung
des politischen Liberalismus, sowie Michaela Rehms Der Dialektiker der
Aufklärung. Rousseaus bürgerliches Glaubensbekenntnis.
Seit 1996 erscheint im Rahmen des
Archivs die finanziell vom Eric-Voegelin-Archiv e.V. und dem Luise Betty
Voegelin Trust geförderte Reihe von Peter J. Opitz und Dietmar Herz
herausgegebenen Reihe Occasional Papers. Neben der Publikation kleinerer,
bislang unveröffentlichter bzw. vergriffener Arbeiten Voegelins –
Vorträge, Aufsätze, Korrespondenzen dient sie als ein internationales Forum
für die Auseinandersetzung mit der Philosophie Voegelins; es erscheinen
deshalb in ihr auch Beiträge in den wichtigsten westlichen Sprachen. Das
große Echo, das gerade diese Reihe ausgelöst hat, zeigt sich nicht zuletzt
darin, dass in ihr inzwischen mehr als fünfzig Beiträge von deutschen,
amerikanischen und italienischen Autoren erschienen sind.
Eine weitere
Aufgabe
sieht das Archiv in der Organisation und Durchführung wissenschaftlicher
Fachtagungen. So wurden im ersten Jahrzehnt seit der Gründung des Archivs
eine Reihe internationaler Eric-Voegelin-Symposien abgehalten, die Gelehrte
aus verschiedenen Ländern zu Vorträgen und Gedankenaustausch über
verschiedene Aspekte des Werkes Voegelins zusammenzuführen. Einige dieser
Symposien dienten der wissenschaftlichen Begleitung der in Vorbereitung
befindlichen Edition Ordnung und Geschichte andere gelten allgemein
philosophischen Themen.
In Ergänzung
zu den Fachtagungen veranstaltet das Archiv Einzelvorträge; zu den
Referenten der vergangenen Jahre gehörten u.a. Guiseppe Duso (Universität
Padua), Gilbert Weiss (Universität Salzburg), Dante Germino (Universität
Amsterdam), Günther Winkler (Universität Wien) und William Thompson
(Duquesne University, Pittsburg / USA). Eine spezielle Vortragsreihe begann
im Winter 1995. Unter dem Titel „Begegnungen mit Eric Voegelin“
eröffnet sie vor allem jüngeren Wissenschaftlern die Möglichkeit, ihre
Arbeiten und Forschungsergebnisse über Voegelin zur Diskussion zu stellen.
Beginnend mit dem Jahr 2005 ist eine jährliche Eric Voegelin Memorial
Lecture geplant, für die international renommierte Gelehrte gewonnen werden
konnten.
Schon vor
Abschluss des wichtigsten Projekts des Archivs – der deutschsprachigen
Edition von Voegelins Order and History – begannen sich die
Aktivitäten des Archivs auf einen zweiten Schwerpunkt zu verlagern: auf die
Erforschung der Zusammenhänge von Politik, Kultur und Religion. Voegelin
hatte auf die Zentralität dieser Zusammenhänge schon früh hingewiesen und
sie in einer Fülle von Studien, angefangen mit den kosmologischen Reichen
des Nahen Ostens bis zu den totalitären Reichen des 20. Jahrhunderts,
analysiert und nachgewiesen. Die Absicht, die weiteren Entwicklungen bzw.
Fehlentwicklungen im 21. Jahrhundert zu untersuchen, steht in der Tradition
dieser Studien.
Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen dabei drei
Sachkomplexe: das Verhältnis von Politik und Religion in den
pluralistischen Demokratien des Westens; die Auswirkungen der wachsenden
Zuwanderung von Menschen aus nicht-christlichen Zivilisationen in die
Gesellschaften des Westens sowie die interzivilisatorischen Probleme, die
sich aus der Renaissance der Religion in vielen der nicht-westlichen
Zivilisationen ergeben. Bei der Bearbeitung dieser Sachkomplexe strebt das
Archiv eine intensive internationale Zusammenarbeit an. So entstand auf
seine Initiative im Frühjahr 2004 ein internationaler Forschungsverbund,
dem Wissenschaftler von deutschen, österreichischen und italienischen
Universitäten sowie von verschiedenen Fachorganisationen angehören.
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